Veranstaltungshinweis

Fokus Kongo: Zwischen Ausplünderung, Überleben und sozialen Kämpfen für ein besseres Leben

Veranstaltungstour im Vorfeld mit Victor Nzuzi (Bauer, Mitglied von Via
Campesina und Globalisierungskritiker aus der Demokratischen Republik Kongo)

Göttingen: 01. Oktober, 18:00 Uhr:
Our House OM10, ObereMasch-Straße 10,
37073 Göttingen

Kassel: 02. Oktober, 19:00 Uhr:
KollektivCafé Kurbad, Sternstr 20,
34123Kassel

Meuchefitz: 03. Oktober, 19:30 Uhr:
Gasthof Meuchefitz, Meuchefitz19,
29482 Küsten

Bremen: 04. Oktober, 19:00 Uhr:
DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22-28, 28195 Bremen

Leipzig: 06.-08. Oktober:
Konferenz „Selbstbestimmt und solidarisch“

Dresden: 09. Oktober:
vgl. www.afrique-europe-interact.net

Spätestens seit Geflüchtete und Migrant_innen im Sommer 2015 das europäische Grenzregime vorübergehend aus den Angeln gehoben haben, ist seitens der EU-Regierungen viel von „Fluchtursachen“ die Rede. Diese müssten durch milliardenschwere Entwicklungsprogramme „bekämpft“ werden, nur so sei verhinderbar, dass weitere Menschen Richtung Europa aufbrechen würden. Das klingt plausibel, allerdings werden die Ursachen für die desaströsen Verhältnisse im globalen Süden meist ausgeblendet, und auch bleibt die Frage unbeantwortet, welche Art von Entwicklung überhaupt gefördert werden soll.

Weiterlesen „Veranstaltungshinweis“

Offener Brief an den AStA der Universität Kassel

Betr.: Veranstaltung zu Critical Whiteness

Sehr geehrte Damen und Herren,

das AStA-Referat für Antidiskriminierung und offene Gesellschaft hat (gemeinsam mit dem AK Raccoons und dem Bündnis gegen Antisemitismus) im Rahmen der Vortragsreihe „Reaktionäre Ideologien im fortschrittlichen Gewand“ am 20.6.2017 eine Veranstaltung mit Sören Pünjer mit dem Titel „Fifty shades of black and white – Der politisch korrekte Rassismus der Critical Whiteness“ durchgeführt.

Wir von der Initiative Kassel postkolonial – viele von uns Studierende dieser Uni – möchten den AStA fragen, wie es sein kann, dass das Referat für Antidiskriminierung einen Referenten einlädt, der …

Weiterlesen „Offener Brief an den AStA der Universität Kassel“

Schwarze Menschen als Arbeiter*innen im „chinesischen Dorf“ im Bergpark Kassel

Exotismus hat viele Gesichter. Im ausgehenden 18. Jahrhundert galt es als chic, Weltläufigkeit in landschaftsgärtnerischer Form zu demonstrieren. Im Kasseler Bergpark wurde hierzu auf Initiative von Landgraf Friedrich II. ab 1781 das chinesische Dorf „Mulang“ eingerichtet, um mit Mühle, Schafstall und Milchhäuschen idyllisches Landleben zu inszenieren. Allerdings gelang es nicht, chinesisches Personal anzustellen. Stattdessen arbeiteten dort etwa 50 Schwarze Menschen. Einige von ihnen wurden vermutlich – so die Historikerin Petra Werner – von nordhessischen Offizieren aus den amerikanischen Befreiungskriegen nach Deutschland verschleppt; andere scheinen aus Kamerun nach Kassel gelangt zu sein. Einige von ihnen starben früh durch Krankheiten oder Suizid. Über den Verbleib ihrer sterblichen Überreste – und über eine würdige Bestattung – ist kaum etwas bekannt; möglicherweise befinden sie sich in der Marburger Anatomischen Sammlung. Weiterlesen „Schwarze Menschen als Arbeiter*innen im „chinesischen Dorf“ im Bergpark Kassel“

Kolonialismus an den Ladentheken

Anders als heute, wo Lebens- und Genussmittel wie Kaffee, Kakao, Tabak oder verschiedene Gewürze in standardisierter Form im Supermarkt verkauft werden, wurden sie bis vor wenigen Jahrzehnten in Kolonialwarenläden – auch Kram- oder Gemischtwarenläden genannt – angeboten. Diese Läden waren häufig Familienbetriebe und nicht selten in Wohnhäuser integriert, wo ein Zimmer zum Verkaufs- und Lagerraum umfunktioniert wurde. Dies mag idyllisch erscheinen; aber die die Möglichkeit, Kaffee, Tee, Tabak usw. in Europa zum Verkauf anzubieten, war mit kolonialer Eroberung und Ausbeutungsverhältnissen verbunden.

Weiterlesen „Kolonialismus an den Ladentheken“

Krieg made in Kassel

Als Rüstungs- und Waffenhochburg genießt Kassel internationalen Ruf. Einige der größten Hersteller militärischer Güter und Infrastruktur – seien es Panzer, Forschungseinrichtungen oder Ausbildungszentren der Bundeswehr – haben ihren Sitz in der Stadt, deren militärische Tradition mehrere Jahrhunderte zurückreicht. Unternehmen wie Krauss-Maffei Wegmann oder Rheinmetall Defence sind wichtige Exporteure in weltweite Konfliktregionen. Etwa die Hälfte der hessischen Rüstungsproduktion stammt derzeit aus Kassel. Die Stadt ist einer der bundesweit zentralen Militärstandorte.

Weiterlesen „Krieg made in Kassel“

Grundlage: Er-/Entinnerung

Deutschland wird oft international Anerkennung für die Aufarbeitung des Holocausts zuteil. Ein Blick auf einen entsprechenden Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte ist demgegenüber sehr ernüchternd. Die Aussage, die Aufarbeitung der Deutschen Kolonialgeschichte stecke noch in den Kinderschuhen, kann – wenn überhaupt –, nur sehr wohlwollend erfolgen. Wenn von Erinnerungskultur gesprochen in Deutschland wird, ist festzustellen, dass die Erinnerungen sehr selektiv ausfallen: Daher muss eher von eine Er-/Entinnerungskultur gesprochen werden, denn Erinnern und Entinnern geschehen oft simultan. Ein gutes Beispiel hierfür liefert der Völkermord an den Herero und Nama, den das deutsche Kaiserreich zwischen 1904 und 1908 im damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ beging. Erst 2015 erkannte die deutsche Bundesregierung das Verbrechen als Völkermord an. Damit änderte die Bundesregierung ihre Bewertung der Gräueltaten deutscher Truppen in Namibia, bei denen rund 100.000 Menschen getötet worden waren. Bisher hatte die Bundesregierung  der Tatbestand Völkermord zurückgewiesen, da dieser erst seit Inkrafttreten des UN Völkermordkonvention 1948 gegeben sei. Allerdings hatte der Bundestag kurze Zeit zuvor die Massaker an den Armeniern von 1915 und 1916 im Osmanischen Reich als Völkermord verurteilt und somit ihre Bewertung des Genozids an Herero und Nama neu formulieren müssen. Die Bundesregierung führte allerdings aus, dass allein aus der Verwendung des Völkermordbegriffs keine Rechtsfolgen für Deutschland entstünden.

Weiterlesen „Grundlage: Er-/Entinnerung“

Grundlage: Rassismus im Alltag

Beleidigungen wegen zugeschriebener Herkunft, die andauernde Frage, von wo mensch „wirklich herkommt“, ständige Polizeikontrollen, unerlaubtes In-die-Haare-gefasst-Bekommen durch Fremde, psychische Herabwürdigung und physische Gewalt – all dies sind Formen des alltäglichen Rassismus in Deutschland. Diese Erfahrungen werden deswegen mit so problematischer Regelmäßigkeit und Vorhersagbarkeit im ganzen Land gemacht, weil sie Tradition haben: Rassismus ist eine europäische Denktradition, die in den Jahrhunderten des europäischen Kolonialismus verfestigt wurde und Menschen in vorgeblich bessere und schlechtere, höher- und minderwertige, fortgeschrittene/moderne und primitive einteilt. So wurde und wird ein Mythos der angeblichen Überlegenheit der weißen Europäer*innen aufrechterhalten, der Ausgrenzung und Ausbeutung von Schwarzen Menschen, People of Colour, Menschen aus den vormaligen Kolonien, Sint*ezza und Rromn*ja bzw. Jüd*innen gerechtfertigt. Rassismus zeigt sich als eine relativ stabile Struktur der Diskriminierung und Benachteiligung der rassistisch Herabgewürdigten – und eben als tägliche Praxis, als „kleine Arsendosen“ in Form sogenannter Mikroaggressionen des alltäglichen Rassismus. Rassismus findet in der Schule, den Medien, der Polizei, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, in der Öffentlichkeit und in Privatleben auf verschiedene Art und Weise statt. In diesen Bereichen fungiert häufig Sprache als wirkmächtige Vermittlungsstruktur des Rassismus. Die fortwährende Verwendung kolonialrassistischer Begrifflichkeiten verbleibt dabei jedoch innerhalb der weißen Mehrheitsgesellschaft häufig unbemerkt oder gar ignoriert. Denn weiße Menschen in Deutschland sind insofern privilegiert, als sie sich mit Rassismus – inklusive dem von ihnen selbst bewusst oder unbewusst verübten Alltagsrassismus – nur dann auseinandersetzen müssen, wenn und solange sie dies wünschen. Die von Rassismus Betroffenen entkommen dagegen selten der alltäglichen Konfrontation und entwickeln deswegen Empowerment [Link Empowerment Dossier Böll], Selbstorganisation [Link ISD, Link Korientation, Link IniRromnja https://inirromnja.wordpress.com/], Kampagnen zur Aufdeckung und Bekämpfung von Rassismus [Link Rassismusbericht] sowie die Verspottung der Vorhersagbarkeit von Rassismus [Link Youtube Video Schwarze Frau spielt weiße Rassistin] als Strategien der Gegenwehr. Da Rassismus alle Beteiligten beschädigt, stellen diese Formen der Gegenwehr eine wichtige Ressource dar, von der auch durch Rassismus Privilegierte profitieren können, indem sie Rassismus erkennen und vermindern.

Grundlage: Flucht – Migration – Asyl

„We are here, because you were there“ – „Wir sind hier, weil ihr da wart“. Der Aktivist und Direktor des Institute of Race Relations London Ambalavaner Sivanandan brachte die globalen Zusammenhänge von Migrationsbewegungen bereits in den 1980er Jahren so auf den Punkt. Seitdem wird der Slogan wiederholt in den Protesten Geflüchteter laut und verdeutlicht so, dass die Ursachen für Flucht und Migration differenzierter Betrachtungen bedürfen. Die Gründe, aus denen Menschen ihr Zuhause verlassen, stehen keineswegs in einem luftleeren Raum, der lokal und losgelöst von den politischen Realitäten anderenorts besteht. Die Perspektive auf Armut, Kriege und Diskriminierung als Fluchtursachen erfordert auch mehr als die Betrachtung der national politischen Umstände der Herkunftsländer. Vielmehr drängt sich die Frage auf, inwieweit beispielsweise die Umsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik durch die Zielländer Flucht erst verursacht. Denn Migrationsbewegungen resultieren auch aus der Notwendigkeit, sich wirtschaftspolitischen Ungleichheiten zu entziehen, die nicht selten durch die Interessen transnationaler Unternehmen verstärkt werden. Nicht umsonst verweisen dabei die Migrationsbewegungen nach Europa mitunter auf die Verflechtungen zwischen dem politischen Handeln des Globalen Nordens und den Auswirkungen im Süden hin. Nicht nur in Kassel zeigen sich diese engen Verflechtungen: Aus den hiesigen Rüstungswerken gelangen Waffen in die ganze Welt und sind dort in Kriegen und Konflikten beteiligt, die Menschen zur Flucht – auch in Richtung Deutschland – zwingen. Gleichzeitig starten vom Flughafen Kassel-Calden Abschiebeflüge. Migration als etwas zu bestimmen, dass von ‚außerhalb‘ nach Europa kommen würde, greift deswegen zu kurz, sondern ist grundlegender Bestandteil dessen, was unsere politischen Realitäten ausmacht.

Nicht erst seit der Anwerbung von ‚Gastarbeiter*innen‘ aus der Türkei und Südeuropa, sondern beispielsweise seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat Arbeitsmigration eine große Rolle für Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft gespielt. So wanderten während des 19. Jahrhunderts ca. 5.5 Millionen Deutsche in die USA aus. Die damaligen Arbeitsmigrant_innen waren zumeist Kleinbäuerinnen und –bauern aus dem Südwesten Deutschlands bzw. Landarbeiter_innen aus dem damaligen Preußen, die nach der Bauernbefreiung mittellos waren. Gleichzeitig wurden im Zuge der Industrialisierung zwischen 1860 und 1910 gezielt Arbeitskräfte in Osteuropa angeworben, die ins Ruhrgebiet migrierten um im Bergbau zu arbeiten. Ab 1955 wurde mittels Anwerbeabkommen eine aktive Anwerbepolitik mit Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, der Türkei und dem damaligen Jugoslawien betrieben.

Grundlage: Neokoloniale Arbeits- und Besitzverhältnisse

Im Zuge des europäischen Kolonialismus seit Ende des 15. Jahrhunderts wurden die bestehenden ökonomischen und gesellschaftlichen Lebensweisen in den besetzen Gebieten oftmals zerstört und durch solche ersetzt, die den europäischen Kolonisator*innen bzw. Wirtschaftsunternehmen nützten.[1] Die Jahrhunderte andauernde Ausbeutung des Südens sowie die zunehmende Privatisierung von vorherigen Gemeingütern sowie die Zerstörung kooperativer und kollektiver Strukturen auch in Europa ermöglichte den wirtschaftlichen, militärischen und politischen Aufstieg europäischer Staaten, die Industrialisierung in Europa und die globale Etablierung des europäischen Kapitalismus. Die dadurch entstandenen sozio-ökonomischen und politischen Strukturen sind bis heute die Basis für die weltweite Vormachtstellung des Globalen Nordens, aber auch für die Macht jeweiliger Eliten im Globalen Süden.

Nach dem anfänglichen Raub von Ressourcen und der Verschleppung und Versklavung von Menschen aus dem Globalen Süden wurden nach und nach die Ökonomien und Gesellschaften in den Amerikas, Afrika, Asien und Australien nach den Bedürfnissen Europas ausgerichtet. Beispielsweise wurden Monokulturen eingeführt, so dass seither wenige Rohstoffe oder Agrarprodukte das gesamte Wirtschaftswesen dominierten. Das bedeutet, dass viele Länder langfristig vom An-/Abbau eines Produkts, das für die Bewohner*innen keinen direkten Nutzen hatte und hat, sowie von dessen Nachfrage und Abnahme durch Konzerne und Konsument*innen aus dem Norden abhängig wurden [Link zu „Kolonialwarenläden“].

Weiterlesen „Grundlage: Neokoloniale Arbeits- und Besitzverhältnisse“